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Die zweite Interviewrunde zum Tierschutz ist eine Einzelrunde.

Haustiger: Du hast dich dafür entschieden, einer Katze aus dem Tierschutz/aus dem Tierheim ein neues Zuhause zu geben. Gab es dafür einen bestimmten Grund?

Roland: Die Katze (eigentlich der Kater) war völlig am Ende. Das arme Tier hatte in seiner Not an meiner Bürotür gerüttelt. Als erfahrener Tierschützer erkannte ich, dass dringendste Hilfe nötig war. In Freiheit geboren, sich jeder Berührung vehement erwehrend, galt Peter als unvermittelbar. Im Büro konnte er nicht bleiben, denn dort lebte mit mir ein milieugeschädigtes ‚Mädchen‘, welches absolut NULL andere Katzen duldete und zur unkontrollierbaren Furie wurde, sobald sie Artgenoss/inn/en sah. Auch zu Hause hatten wir einen Problemfall. Aber die Wohnung lässt sich gut in zwei ‚Reviere‘ teilen, da bot es sich an, den kleinen Peter bei uns zu lassen.
Als Bericht publiziert unter: https://youandroli.wordpress.com/2012/07/08/mein-pelzkragen/

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Haustiger: Stammt deine Katze aus dem örtlichen Tierheim oder von einer Tierschutzorganisation?

Roland: Die Antwort ergibt sich aus der auf Frage 1)

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Haustiger: Warum ist es genau diese Katze geworden?

Roland: Wie es vielfach geschieht, hat sich die Katze den Menschen ausgesucht. Da Katzen viel klüger sind als allgemein angenommen wird, haben sie ein Gespür dafür, sich an den/die richtigen zu wenden, wenn sie Hilfe suchen. Es war nicht allein Mitleid! Nein, es war die Liebe zum Tier, die uns bewog, den verflöhten, arg verdreckten, von Ohrmilben geplagten kleinen Kerl in Dauerobhut zu nehmen.

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Haustiger: Wie alt war die Katze, als sie bei dir eingezogen ist?

Roland: Tierärzte können das Alter recht gut am Zustand der Zähne feststellen. In 2004 vermutlich als
Maikätzchen geboren, kam Peter im Dezember zu mir. Er war demnach 7 bis acht Monate alt.

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Haustiger: Wie bist du auf die Tierschutzorganisation/das Tierheim gekommen? Hast du dich sofort verliebt oder hast du verschiedene Tierheime/Tierschutzorganisationen besucht?

Roland: Hier kann in unserem Fall die Antwort kombiniert werden. Ich versuche, die wesentlichen Fakten in wenigen Sätzen zu erklären.
Unser weißschwarzer Peter war, trotz anfänglich vierwöchiger Unnahbarkeit, ein liebenswerter Bursche. Ja, in seinem Fall haben wir uns gleich verliebt (er dankt es Tag für Tag). Durch Zufall – oder im Karma so vorgesehen – standen wir eines Tages dem Problem gegenüber, mit 42 Katzen und 6 Dosen Futter auf einem 1600 qm großen Grundstück konfrontiert zu sein. Teilweise Handzahme, etliche verwilderte Zuwanderer, manche in Freiheit Aufgewachsene gab es da. Glück für die Tiere: Wir waren 7 Personen, die kurz entschlossen einig wurden, einen Tierschutzverein zu gründen. Schon bald ergaben sich Möglichkeiten zur Kooperation mit mehreren Vereinen, Veterinären und Tierschutz-Organisationen. Es folgten gegenseitige Besuche der Anlagen; so konnten wir eigene Erfahrungen einbringen und weiter geben, sowie von den Erfahrungen anderer lernen und profitieren (nicht finanziell, sondern praktikabel gemeint).

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Haustiger: Was sollten Interessierte deiner Meinung nach beachten, wenn sie einer Katze vom Tierschutz/aus dem Tierheim ein neues Zuhause geben möchten?

Roland: Schön sind im Grunde genommen alle Katzen, auch wenn manche von der Natur ein bisschen ‚verballert‘ gefärbt sind. In erster Linie sollte man ohne bestimmte Vorstellungen und ohne spezielle Wünsche auf die Suche gehen. Mindestens eines der in Vereinen und Tierheimen wartenden Kätzchen wird ein Pfötchen durchs Gitter strecken oder sich unübersehbar bemerkbar machen; erfahrungsgemäß sollte ein solches Tier bevorzugt werden.

Schwarze Katzen bringen natürlich KEIN Unglück! Leider hält sich da ziemlich hartnäckig ein wahrlich allzu weit verbreitetes Vorurteil.
Meine persönliche vielfache Erfahrung: Schwarze Katzen sind meist anhänglich und verschmust, sofern sie nicht durch böse Erlebnisse geprägt und deshalb seelisch geschädigt sind.

Kräftig rot getigerte sind fast immer Kater und tolle Kumpels, die gern ‚helfend‘ dabei sind, wenn ihre Menschen in der Wohnung aktiv sind.

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Haustiger: Kennst du die Vorgeschichte deiner Katzen?

Roland: Bedingt, wie sich aus den Antworten 1 und 9 ergibt.

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Haustiger: Kannst du kurz beschreiben, wie die Vermittlung vom ersten Kontakt bis zum Einzug bei dir ablief?

Roland: Im Spätsommer sah ich das offensichtlich noch junge Kätzchen zum ersten Mal auf dem Hof, an dem mein Büro lag. Es schien scheu, wirkte aber gesund – ich nahm an, es sei ein Freigänger. Als ich jedoch merkte, dass das Futter, welches ich regelmäßig für einen anderen ‚Bekannten‘ bereitstellte, seit dem ersten Blickkontakt jeweils absolut restlos weggeputzt war, war klar: es kommt noch jemand fressen. Also erhöhte ich die Portion auf das Doppelte.
Dann kam der Winter. Ein sehr kalter Winter 2004 / 05! Im Januar 2005 meldete sich dann das Kätzchen bei minus 17° C direkt an meiner Bürotür – es war weit nach Mitternacht.

Das Fell verdreckt, oberhalb des rechten Auges prangte eine schwere Verletzung, trotz des guten Futters arg abgemagert…
Um 3:10 Uhr in der Nacht tappte der Arme in meine Falle. Die Untersuchung am nächsten Tag ergab: Ohrmilben (die unbehandelt tödlich sind), reichlich Flöhe, die Wunde, die dem Kerlchen nach Meinung des Tierarztes mit einer Zigarette oder einer Zigarre zugefügt worden war, sowie Plasmazellgingivitis (chronische Zahnfleischentzündung), die, wenn überhaupt, schwer heilbar ist.
Anm.: Dank seines fähigen Dottore ist die Plasmazellgingivitis zumindest weitgehend reduziert.

Die Umstände insgesamt waren nicht geeignet, für Peter ein neues Zuhause zu suchen. Da wir mit Problemfällen Erfahrung haben, uns die notwendige Geduld zu eigen ist und uns gerade die etwas schwierigen Tiere besonders am Herzen liegen, hat das längst überaus kontaktfreudige Katerchen genau die richtige Wahl getroffen.
Wir sind glücklich mit ihm und er mit uns…!!!

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Haustiger: Immer wieder hört man von unsympathischen Tierheimmitarbeitern oder Tierheimen, die angeblich kein Interesse hätten, ihre Tiere zu vermitteln etc. Natürlich hört man hier meist nur enttäuschte Katzenhalter und kann kaum nachvollziehen, wie der Kontakt wirklich abgelaufen ist. Welche Erfahrungen hast du gemacht?

Roland: Mit dem Tierheim Berlin (früher in Lankwitz, jetzt in Ahrensfelde) hatten wir in der Tat weniger gute Erfahrungen gemacht, als wir noch nicht als Tierschutzverein etabliert waren. Sie aufzuführen wäre hier zu aufwändig.Trotzdem möchte ich eine Lanze für Tierheime und deren Personal brechen!

Zu viele Tiere werden mit den abenteuerlichsten Ausreden abzugeben versucht! Das erlebten wir später wahrhaftig wiederholt in unserem Verein, ebenso haben wir das häufig von befreundeten Tierschützern und Vermittlern erfahren.

Tiere sind kein Spielzeug, werden aber leider von manchen Menschen wie solches behandelt. Besonders zu den großen Festen werden immer wieder bedenkenlos Tiere verschenkt. Die Folge ist, dass vor diesen Festen besonders viele Tiere rücksichtslos ausgesetzt oder abgegeben werden und Tierheime und Asyle knackend überfüllt sind.

DESHALB kann ich sehr gut nachvollziehen, dass betroffene Heime, bzw. das dortige Personal, dann und wann mit äußerster Skepsis vorgehen, was potentielle Kunden als unfreundlich oder interesselos empfinden, was bei genauem Überdenken jedoch als vorsichtiges und umsichtiges Handeln zu werten ist.
Weitere Hinweise dazu siehe auch in Antwort 12 *

Haustiger: Würdest du wieder einer Katze aus dem Tierschutz/Tierheim ein neues Zuhause geben? Wenn ja, dann auch speziell aus diesem Tierheim/von dieser Tierschutzorganisation?

Roland: Jederzeit! Sofern es in Frage kommt, eine neue Katze aufzunehmen, werde ich immer wieder ein Schätzchen aus einem mir als gewissenhaft bekannten Asyl holen. Wenn es sich jedoch um einen frei lebenden Notfall handelt, werde ich diesen selbstverständlich bevorzugen. Was ich persönlich allemal meide und schneide, sind Züchter, gleichgültig ob professionelle oder Möchtegern-Tiervermehrer. Es gibt viel zu viel leidende Katzen und Tiere, denen man ein besseres Leben ermöglichen kann und sollte…!!!

Haustiger: Möchtest du unseren Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?

Roland: Als Katzenhalter braucht man außer dem notwendigen Zubehör dreierlei: 1. Geduld, 2. Geduld und 3. Geduld. Sehr wichtig ist, auf die Belange der Katze einzugehen und ihr im wahren Sinn des Wortes die Hand hinzuhalten!

Wie weiter oben erwähnt: Tiere sind kein Spielzeug!
Absolut nichts gegen Kinder! Ich habe selber zwei (längst erwachsene) Söhne und beide wurden tierfreundlich erzogen. Nur:
Kleine Kinder brauchen noch viel Schlaf, das weiß jeder. Für junge Katzen gilt das ganz genauso, da wird das spielwillige Menschenkind schnell mal zum unerträglichen Hindernis.

Bitte beachten: Die allermeisten Katzen werden mit steigendem Alter übrigens wieder ruhiger und verschlafen durchaus bis zu 75 / 80 % des Tages.

Kleine Kinder können selten flüstern, oft kreischen sie sogar beim Spielen. Das stört Katzen, die über ein vielfach besseres Gehör verfügen als wir Menschen. Da kann es schon mal passieren, dass eine Katze unwillig reagiert.

Natürlich meinen Kinder es selten böse, wenn sie mit der Katze spielen wollen. Jungtiere sind da bekanntlich besonders reizvoll. Doch Menschenkinder können oftmals gar nicht abschätzen, dass sie das Tier im Spiel nerven oder ihm gar versehentlich wehtun. Wehrt sich das Tier gegen die Behandlung (nach entsprechenden Gesten!), wird es als böswillig oder aggressiv eingestuft, meist in Unkenntnis der ‚Sprache‘, die ja rechtzeitig und ausreichend Hinweise liefert, Ruhe haben zu wollen.
* Vernünftig handelnde Vermittler lehnen vielfach zu Recht ab, Familien mit kleinen Kindern eine Katze zu überlassen. Auch das muss als Rücksicht auf die Belange des Tieres betrachtet werden, was verständige Tierfreunde einsehen. Wer es nicht einsieht, ist in meinen Augen nicht wirklich fähig, sein Heim mit einer Katze (oder einem anderen Tier) zu teilen.

Keine mir bekannte Katze hat jemals aus Eigeninitiative einen Menschen ‚angefallen‘, wie leider hin und wieder behauptet wird.
Eine Katze zu haben, bedeutet manchen Kratzer ertragen zu müssen! Allerdings fügen sich die Menschen diese Blessuren meistens selber zu. Die Katze hakt mit spitzer Kralle in die Haut, um sich Unbillen zu erwehren. Das piekt dann zwar ein bisschen, aber doch fast immer im erträglichen Bereich. Der Mensch jedoch fühlt das anders. Er zieht die Hand, den Arm, das Bein weg, die Kralle wirkt wie ein Widerhaken und ratscht eine blutende Riefe…

KEINE Katze ist wie die andere! Natürlich ähneln sie sich in der Statur und sie haben naturbedingte
Verhaltensmerkmale, wenngleich andere als die Spezies Mensch. Darum vergesst bitte romanähnliche Bücher wie ‚Meine Mieze‘, ‚Unser Stubentiger‘, ‚Miau, ich bin’s‘ oder ähnlichen Titeln. Darin wird meistens nur die Katze des Halters beschrieben. Sinnvoll ist es, ein Fachbuch zu kaufen, oder es in der Stadtbibliothek zu leihen, um sich mit dem Katzenleben vertraut zu machen, BEVOR man sich einen lieben Pelzkragen ins Haus holt.

Wie Menschen, werden auch Katzen älter und dann sind Krankheiten nicht auszuschließen. Ich gebe ehrlich und deutlich zu bedenken: Die Behandlung KANN teuer werden, was leider oft lieblos dazu führt, das Tier zu ‚entsorgen‘ und ggf. durch ein neues, junges zu ersetzen. Dies noch: Auch Katzen bilden Gruppen und sogar höchst erstaunliches Sozialverhalten. Bei unseren Tieren konnten wir das wunderbar beobachten.

Ich könnte sehr viel mehr Ratschläge und Empfehlungen mitgeben, es würde diesen Rahmen weit übersteigen.
Scheut euch bitte nicht, mich zu fragen, wenn ihr noch nicht vollständig katzenreif zu sein glaubt! Tierisch herzliche Grüße vermittelt hiermit Roland Schulz alias Youandroli.

Vielen Dank Roland für deine ausführlichen Antworten auf meine neugierigen Fragen. Wer mehr über Roland erfahren möchte, findet ihn unter https://youandroli.wordpress.com/ sowie bei Twitter unter @youandroli.