Chronische Schmerzen werden bei der Katze häufig durch verschleißbedingte Gelenkerkrankungen ausgelöst. Diese sind nicht heilbar, die Therapie richtet sich bei der Katze danach, die verbundenen Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität des tierischen Patienten zu verbessern. Die Strahlentherapie, eine wichtige Therapiemöglichkeit in der Krebsbehandlung, kann – niedrig dosiert – auch zur Behandlung chronisch-entzündlicher degenerativer und proliferativer (also wuchernder) Gelenkerkrankungen eingesetzt werden.

Katze auf Couch Strahlentherapie Arthrose

Wie wirkt eine Strahlentherapie bei Arthrose?

Die Schmerzen bei einer chronisch degenerativen Gelenkerkrankung werden durch lokale Stoffwechselstörungen mit anhaltender Übersäuerung des Gewebes sowie einer Reizung der Gelenkinnenhaut, der Gelenkkapsel und der Gelenknerven verursacht. Eine Strahlentherapie kann diese Schmerzen lindern, jedoch ist noch nicht abschließend geklärt, wie es zu dieser Wirkung kommt.

Man nimmt an, dass die Strahlentherapie über mehrere biochemische Reaktionsabläufe auf zellulärer Ebene wirkt und so die Entzündungsreaktionen im Gewebe reduziert. Diese entzündungshemmende Wirkung beruht wohl auf verschiedenen Komponenten.

Wirkung auf die Immunzellen

Bei einer Entzündung reagiert das Immunsystem auf eine Schädigung durch infektiöse, chemische oder physikalische Noxen, also Stoffe oder Umstände, die eine schädigende, krankheitserzeugende Wirkung auf einen Organismus oder ein Körperorgan ausüben. Diese Reaktion ist komplex, da eine Vielzahl von Immunzellen miteinander interagieren muss.

Ein erster Schritt dieser so genannten Entzündungskaskade ist das Anheften von bestimmten Leukozyten, also weißen Blutkörperchen, den Monozyten und den Granulozyten, aus dem Blut, das sich in den Blutgefäßen befindet, an aktivierte Endothelzellen (Zellen, die die Blut- und Lymphgefäße auskleiden). Die weißen Blutkörperchen wandern dann angeheftet an diese Gefäßzellen in das entzündete Gewebe, wo sich die Monozyten zu dendritischen Zellen und inflammatorischen („entzündlichen“) Makrophagen („Fresszellen“) entwickeln.

Diese Makrophagen unterstützen wiederum den lokalen Entzündungsprozess durch verschiedene Vorgänge und produzieren dabei u. a. auch Stickoxide, die wiederum die Durchlässigkeit von Gefäßen regulieren, die Bildung von Wasseransammlungen (Ödemen) fördern und an der Entstehung von Entzündungsschmerz beteiligt sind.

Eine niedrig dosierte Strahlentherapie kann nun dafür sorgen, dass sich weniger weiße Blutkörperchen an diese Endothelzellen anheften und zum Ort des Geschehens transportiert werden. Zudem wurde beobachtet, dass vermehrt das Zytokin TGF-beta 1 ausgeschüttet und aktiviert wurde. Zytokine sind Eiweiße, die u. a. eine wichtige Rolle im Immunsystem spielen, und dieses TGF-beta 1 wirkt antiadhäsiv, was bedeutet, dass es ebenso das Anheften der weißen Blutkörperchen an die Endothelzellen behindert.

Des Weiteren zeigte sich, dass es durch die Bestrahlung zu einem programmierten Zelltod von Monozyten und Granulozyten kam, was wiederum zu einer verminderten Rekrutierung dieser Entzündungszellen führte, weil eben ihre Zahl grundsätzlich einmal vermindert wird. Ebenso konnte eine Senkung der Stickoxid-Produktion in aktivierten Makrophagen und eine verminderte Ausschüttung des entzündungsfördernden Zytokins Interleukin-1 in stimulierten Makrophagen beobachtet werden. So ergibt sich auf zellulärer Ebene ein entzündungshemmender Effekt. [1][2][3]

Wirkung auf die Synovialzellen und die Gelenkschmiere

Eine Entzündung der Innenschicht der Gelenkkapsel tritt häufig bei einer chronischen Polyarthritis auf. Hierbei verändern sich die Synovialzellen, also die Zellen der Gelenkinnenhaut und ändern auch ihre Funktionsweise. Sie werden aggressiv und wachsen über den Knorpel, was zu einer Zerstörung des Knorpels vom Rand ausgehend führt. Eine Entzündung tritt auch bei einer aktivierten Arthrose auf, wenn die durch die Reibung der Knorpel und ihrer Gegenspieler entstehenden Abriebprodukte eine solche bewirken. In Tiermodellen zeigte sich, dass die Strahlentherapie bei Arthritis die Proliferation, also das Wachstum und die Vermehrung, dieser Synovialzellen verringern, die Bildung von Flüssigkeit im Gelenk hemmen und so der Zerstörung von Knochen- und Knorpelgewebe entgegenwirken kann. [4][5][6][7]

Zudem scheint der pH-Wert der Gelenkschmiere ins Alkalische verschoben zu werden, d. h. die Übersäuerung (Azidose), die ebenfalls zur Schmerzentstehung beiträgt, wird gehemmt und die Schmerzempfindung somit reduziert. [8]

Außerdem scheinen nach aktuellem Kenntnisstand direkte Einflüsse auf das neurovegetative und neuroendokrine System eine Rolle zu spielen. Ein Einfluss auf die Krankheit selbst, ist nach Expertenmeinung nicht zu erwarten.

Mögliche Einsatzgebiete im Bereich Knochen und Knorpel

Osteoarthrose

Die Osteoarthrose ist eine chronisch degenerative Gelenkerkrankung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass es zu einer fortschreitenden Veränderung des Gelenkknorpels und der weiteren Gelenkstrukturen kommt (oft bekannt als „Verschleiß“). Die Folge sind Schmerzen und/oder Funktionseinschränkungen, sprich z. B. Steifigkeit insbesondere am Morgen. Kommt eine Entzündung hinzu, spricht man von einer aktivierten Arthrose.

Einer Osteoarthrose kann auf verschiedenen Wegen begegnet werden. Das kann die Gabe von Schmerzmitteln sein, Physiotherapie, die Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln oder z. B. auch im Fall des Falles eine schonende Gewichtsreduktion. Ziel ist in jedem Fall, die verbundenen Schmerzen zu lindern und so die Lebensqualität der betroffenen Katze zu verbessern. Die Strahlentherapie kann die genannten Maßnahmen begleiten und im besten Fall langfristig zur Minderung der Beschwerden führen.

Liegen Krepitationen vor (also „Knirschen“ durch Aneinanderreiben von Gelenkpartnern), Gelenkdeformationen oder ausgeprägte sichtbare Veränderungen im Röntgenbild sind die Aussichten eher ungünstig.

Die Strahlentherapie kann auch bei Scottish Fold Katzen, die unter Osteochondrodysplasie leiden, zur Schmerzreduktion und Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt werden. [9]

Tumore

Dringt ein Tumor in einen Knochen oder ein anderes Gewebe ein oder drückt er schmerzsensible Strukturen zusammen, kann Tumorschmerz entstehen und die Lebensqualität des kätzischen Patienten deutlich einschränken. Insbesondere Knochenschädigungen sind sehr schmerzhaft. Diese können durch Knochentumore selbst (z. B. Osteosarkom) oder auch durch sekundäre Tumore (z. B. Metastasen von Mammakarzinomen) entstehen. Auch Lymphome oder periphere Nervenscheidentumore können mit deutlichen Schmerzen einhergehen.

Liegt ein solcher Tumorschmerz vor und weiß man wo der Schmerz lokalisiert ist, ist eine palliative Strahlentherapie möglich, um die Schmerzsymptome bei nur geringen Nebenwirkungen zu reduzieren. Ziel ist es dabei vor allem, die Lebensqualität des Tieres zu verbessern. Wie die Strahlentherapie die Schmerzen genau lindert, ist nicht vollständig bekannt, die Schmerzlinderung setzt auch nicht die komplette Rückbildung des Tumors voraus. Der schmerzlindernde Effekt tritt nach zwei bis vier Wochen ein und hält im Durchschnitt zwei bis sechs Monate an.

Wie läuft eine Strahlentherapie in diesem Fall ab?

Je nachdem, ob eine bösartige Tumorerkrankung vorliegt oder eine chronisch degenerative Gelenkerkrankung sind Ziel und Ablauf der Strahlentherapie unterschiedlich. In der Krebsbehandlung wird die Strahlentherapie häufig täglich oder mehrmals wöchentlich in hohen Dosen eingesetzt, um im Idealfall das Tumorgewebe zu zerstören.

Bei der Bestrahlung im Fall von chronisch degenerativen Gelenkerkrankungen werden deutlich niedrigere Dosen in weniger Sitzungen verwendet. Ziel ist es hier, die Schmerzen zu reduzieren und Funktionseinschränkungen zu mindern.

Die Strahlentherapie wird normalerweise ambulant durchgeführt. Das Tier muss dafür in eine Kurznarkose (z. B. mit Propofol) versetzt werden, da der Patient exakt positioniert und das Strahlenfeld richtig ausgerichtet werden muss. Zudem dürfen sich während der Behandlung keine Personen im Behandlungsraum befinden. Es handelt sich um eine ganz oberflächliche Narkose, da die Bestrahlung keine Schmerzen verursacht und die Tiere nur wenige Minuten ruhig liegen müssen. Die eigentliche Bestrahlungsdauer liegt bei unter einer Minute. Es können gleichzeitig mehrere Gelenke bestrahlt werden.

Voraussetzung für die Strahlentherapie ist die Narkosefähigkeit der Katze und es muss eine möglichst genaue Darstellung des Strahlenvolumens mittels Bildgebung (z. B. Computertomografie) möglich sein.

Wie erfolgsversprechend ist eine Strahlentherapie bei chronisch degenerativen Gelenkerkrankungen?

Derzeit gibt es noch keine Langzeitstudien für die Behandlung degenerativer Gelenkerkrankungen mittels Strahlentherapie. Die aktuellen Beobachtungen sind jedoch sehr vielversprechend. 70 bis 80 Prozent der Hunde sprachen auf die Strahlentherapie an und die schmerzlindernde Wirkung trat in der Regel vier bis sechs Wochen nach der Behandlung ein und führte in Folge zu einer verbesserten Belastung der Gliedmaßen und einer Verbesserung der Lebensqualität.[10] [11] [12] [13] Es ist auch möglich, dass je nach Fall Schmerzmittel reduziert werden können. In der Regel hielt die Schmerzlinderung sechs bis neun Monate an. Nach Abklingen der Wirkung kann die Bestrahlung grundsätzlich wiederholt werden.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Wie bei jeder Therapie so müssen auch bei der Strahlentherapie Nutzen und Risiko gegeneinander abgewogen werden. Da die Strahlendosis bei der Behandlung chronisch-degenerativer Gelenkerkrankungen deutlich niedriger als bei der Tumorbehandlung ist, sind therapiebedingte Nebenwirkungen sehr selten. Grundsätzlich ist es möglich, dass es durch die Transformation und Mutation der bestrahlten Zellen zu bösartigen Veränderungen und Erbkrankheiten kommt. Jedoch ist das Risiko beim Menschen schon gering und bei der Katze durch die geringere Lebenserwartung noch weitaus geringer. Bei der palliativen Strahlentherapie von Osteosarkomen liegt das Risiko für Nebenwirkungen durch die höhere Dosis etwas höher, hier kann es zu akuten Nebenwirkungen während oder kurz nach der Strahlentherapie kommen (z. B. Hautschäden), diese sind jedoch laut Fachliteratur meist gut behandelbar.

Fazit

Die Strahlentherapie kann bei chronisch degenerativen Gelenkerkrankungen eine ergänzende Möglichkeit zur Schmerzbehandlung darstellen. Jedoch fehlen derzeit noch Langzeitstudien und sie ist mit einem relativ hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Zudem wird die Behandlung nur in spezialisierten Einrichtungen mit entsprechender Ausstattung und Fachkompetenz angeboten. Teilweise sind Kooperationen zwischen fachlich ausgebildeten Tierarztpraxen und Strahlentherapieeinrichtungen für Menschen möglich.

Die Informationen in diesem Artikel basieren in weiten Teilen auf einem im „Praktischen Tierarzt“ erschienenen Übersichtsartikel [14], zusammengefasst und ergänzt um Erklärungen und Informationen aus anderen Quellen.

Referenzen


[1] Roedel F, Kley N, Beuscher HU, Hildebrandt G, Keilholz L, Kern P, Voll R, Herrmann M, Sauer R (2002): Anti-inflammatory effect of low-dose X-irradiation and the involvement of a TGF-a1-induced down-regulation of leukocyte/endothelial cell adhesion. Int J Radiat Biol 78:711-719
[2] Roedel F, Frey B, Manda K, Hildebrandt G, Hehlgans S, Keilholt L, Seegenschmiedt MH, Gaipl US, Roedel C (2012): Immunmodulatory properties and molecular effects in inflammatory diseases of low-dose x-irradiation. Front Oncol 2:120
[3] Trott KR, Kamprad F (1999): Radiobiological mechanisms of anti-inflammatory radiotherapy. Radiother Oncol 51:197-203
[4] Budras KD, Hartung K, Münzer BM (1986): Licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen über den Einfluss von Röntgenstrahlen auf das Stratum Synoviale des entzündeten Kniegelenks. Berl Münch Tierärztl Wochenschr 99: 148-152
[5] Fischer U, Kamprad F, Koch F, Ludewig E, Melzer R, Hildebrandt G (1998): The effects of low-dose Co-60 irradiation on the course of aseptic arthritis in a rabit knee joint, Strahlenther Onkol 174:633-639
[6] Hildebrandt G, Radlingmayr A, Rosenthal S, Rothe R, Jahns J, Hindemith M, Roedel F, Kamprad F (2003): Low-dose radiotherapy (LD-RT) and the modulation of INOS expression in adjuvant induced arthritis in rats. Int J Radiat Biol 79: 993-1001.
[7] Trott KR, Parker R, Seed MP (1995): Die Wirkung von Röntgenstrahlen auf die experimentelle Arthritis der Ratte. Strahlenther Onkol 171:534-538
[8] Pannewitz G v (1970): Radiotherapy of arthrosia deformans. Method and results. Radiologe 10: 51-54
[9] Fujiwara-Igarashi A, Igarashi H, Hasegawa D, Fujita M (2015): Efficacy and complications of palliative irradiation in three Scottish Fold Cats with osteochoendrodysplasia. J Vet Intern Med 29: 1643-1647
[10] McEntee MC, Page RL, Novotney CA, Thrall DE (1993): Palliative radiotherapy for canine appendicular osteosarcoma. Vet Radiol Ultrasound 34: 367-370
[11] Mueller F, Poirier V, Melzer K, Nitzl D, Roos M, Kaser-Hotz B (2005): Palliative radiotherapy with electrons of appendicular osteosarcoma in 54 dogs. In Vivo 19: 713-716
[12] Pagano C, Boudreaux B, Shiomitsu K (2016): Safety and toxicity of an accelerated coarsely fractionated radiation protocol for treatment of appendicular osteosarcoma in 14 dogs: 10 Gyx2 fractions. Vet Radiol Ultrasound 57:551-556
[13] Ramirez O III, Dodge RK, Page RL, Price GS, Hauck ML, LaDue TA, Nutter F, Thrall DE (1999): Palliative radiotherapy of appendicular osteosarcoma in 95 dogs. Vet Radiol Ultrasound 40:517-522
[14] Eberle N. (2017): Einsatz der Strahlentherapie zur Schmerzbehandlung bei Hund und Katze. Der Praktische Tierarzt 99, Heft 01/2018, 24-32

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