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Es gibt viele Versager wie mich, vielleicht mehr als man denkt. Ein Großteil der langjährigen Pflegestellen, die ich kenne, sind über kurz oder lang in den Club eingetreten und haben sich bei mindestens einer anvertrauten Katze (oder auch einem anderen Tier) entschieden, es zu behalten. Auch ich zähle dazu. Vielleicht nicht so ganz im klassischen Sinn, aber nichtsdestotrotz. Die Rede ist von Pflegestellenversagern, auch kurz als PSV bezeichnet.

Ein Zeichen von Schwäche oder Unfähigkeit? Versagen oder Tierliebe? Die zugegeben vielleicht auch ein wenig arrogante Einstellung, das entsprechende Tier könne es woanders nie so gut haben, wie bei einem selbst? Vielleicht. ;-) Entscheide selbst, wenn ich dir heute eine unserer Geschichten erzähle.

Vor fast vier Jahren, an einem schönen Sonnentag Ende Mai, landeten auf privatem Weg zwei „Draußenkätzchen“ im Alter von fünf bis sechs Wochen bei mir, die dem Tod näher als dem Leben waren. Ein Geschwisterchen war bereits gestorben und besonders das Katerchen sah alles andere als gut aus, wobei das Mädchen auch nicht viel besser dran war. Beide Katzen waren ein Luxushotel für Ungeziefer und litten unter schwerem Katzenschnupfen, der insbesondere die Augen stark angegriffen hatte. Beim Katerchen mehr, als bei der Katze. Wer sich unter dem Begriff Hornhautgeschwür in Verbindung mit durchgebrochen etwas vorstellen kann, kann sich ein ungefähres Bild machen. Bei beiden Katzen war nicht klar, in welchem Maß die Sehfähigkeit wieder hergestellt werden konnte, aber es war schon abzusehen, dass wir keine 100%ige Regeneration erwarten konnten. Wir berichteten seinerzeit. Wer uns schon einige Jahre die Treue hält, kennt die Geschichte.

Fanny klein

Ein Bild, auf dem Katze und Katzenaugen im Vergleich schon relativ gut aussehen.

 

Natürlich ging es mit den Katzen zum Tierarzt (anfangs min. 2x pro Woche, teilweise öfter), natürlich wurden die Augen behandelt und die Katzen gepäppelt und auch alternativ unterstützt, so gut es ging. Und es schien aufwärts zu gehen. Dem Katerchen musste dann eine Woche nach seiner Ankunft bei mir – als er noch weit davon entfernt war gesund zu sein – ein Auge entfernt werden. Die Aussichten waren nicht rosig bei so einem kleinen Kerlchen in dem Zustand, die Tierärztin in der Klinik überlegte gar laut, ob es nicht besser sei, ihn einzuschläfern. Aber wir entschieden uns, es zu wagen und nach zwei Stunden Hoffen und Bangen konnten wir die erlösende Nachricht entgegennehmen, dass alles gut gegangen war.

Die Wochen vergingen, die Katzen erholten sich, die Abschnitte zwischen den Tierarztbesuchen wurden länger (es gab immer wieder kleinere Rückschläge), die Quarantäne konnte aufgehoben werden und wir konnten uns so langsam Gedanken über ein neues Zuhause machen und uns an den ganzen großen und kleinen Dingen erfreuen, die ein Zusammenleben mit überaus lebhaften Katzenkindern so für einen bereithält. Täglich mehrmals ausgeräumte Bücherregale und Papierkörbe zum Beispiel. Das verbliebene Auge des Katers und die Augen der Katze regenerierten sich, wurden klarer, wenn auch bei Beiden nicht mehr vollständig.

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Entspannung

 

Ich könnte euch jetzt noch erzählen, wie teuer die Behandlung war, wie zeitaufwändig das Drumherum, aber das war und ist für mich alles nicht wichtig. Hätte ich es nicht tun wollen, hätte ich es gelassen. Mich hat ja niemand gezwungen, die Beiden zu nehmen, ebenso wenig wie die anderen Katzen und was hier sonst noch so kreucht und fleucht. Wer in dem Bereich aktiv ist oder sich dafür interessiert, weiß ohnehin, was so in etwa angefallen ist und dass das eine Schutzgebühr in der Regel nicht annähernd deckt.

Als wir an diesem Punkt angekommen waren, hatte das Mädchen bereits einen Interessenten. Das Katerchen noch nicht. Es fand sich jedoch dann über ein Haustierforum eine nette, junge Dame rund 100 Kilometer von uns entfernt, die ihn aufnahm. Und was für ein riesiger Kerl aus dem schon beinahe totgesagten Wicht geworden ist! Die Interessenten des Mädchens sprangen letztendlich noch ab, da ihnen alles zu lange dauerte und man keine so alte Katze adoptieren wollte. Die „alte Katze“ war damals 11 Wochen alt und zog schließlich im Alter von rund 16 Wochen in ein anderes Zuhause um.

Sie zog in Wohnungshaltung zu einem Kater, der bislang allein gelebt hatte. Die Zusammenführung und später auch das Zusammenleben zwischen den beiden Katzen verliefen problemlos und es kehrte wieder Ruhe ein. Die Hexe war glücklich, dass sie wieder meine ungeteilte Aufmerksamkeit hatte und sich nicht mehr vor an jeder Ecke lauernden Katzenkindern in Acht nehmen musste und konnte sich wieder entspannen. Zumindest für exakt 7 Tage, bis uns ein Anruf und dann eine Emma ereilte und unser Leben und ihres mit gründlich auf den Kopf stellte… aber das ist eine andere Geschichte. ☺

Von den beiden Katzenkindern hörten wir immer wieder mal, hörten, dass sie Leben und Einrichtung ihrer neuen Besitzer gründlich auf den Kopf stellten, was uns nicht wunderte, mal ein Schmunzeln entlockte und einen Seitenblick auf Klein-Emma, die zwar ein paar Monate jünger, aber weiß Gott nicht ruhiger war. So ging das einige Monate bis im Mai 2012 ein Anruf kam, ob wir für das Mädchen nicht ein neues Zuhause suchen könnten. Von Unsauberkeit war die Rede, von zerkratzten Tapeten, von anderen unerwünschten Verhaltensweisen… Doch man würde die Katze noch behalten, bis sich etwas Neues gefunden hätte…

Also suchten wir wieder. Über Foren, Facebook, Kleinanzeigen, Handzettel, Aushänge, im Blog und überall, wo es uns sinnvoll erschien. Und immer wieder einmal meldeten sich Interessenten. Doch wir durften einmal wieder feststellen, dass es viele Menschen auf der Welt gibt, denen wir niemals eine Katze anvertrauen würden.

Eine kleine Auswahl von Reaktionen:

„Wie viel kostet die? Was so viel? Sei doch froh, dass dir die jemand abnimmt!“

(mehrfach, gerne auch mit der Bezeichnung „das Vieh“, es handelte sich übrigens um einen Betrag, der in etwa die Kastration gedeckt hätte und bei uns sind die Tierarztkosten recht human)

„Also meinen Kater habe ich ja damals für umsonst bekommen. Und es gibt so viele Katzen, die verschenkt werden, nein danke!“

(wir haben dann auch „nein danke“ gesagt * hust *)

„Wozu wollen Sie denn das alles wissen? Das geht Sie gar nichts an. Seien Sie doch froh, wenn Sie die Katze los sind.“

(auf Fragen, wie z. B. ob noch andere Katzen im Haushalt leben)

„Wie, die hat schon mal wo hingemacht. Nein, eine solche Katze geht nicht. Die Katze ist für meine Mutter und die kann das nicht mehr wegwischen, wenn die Dreck macht.“

(man entschied sich dann für eine andere Katze, die hoffentlich nie Dreck gemacht hat)

Eine Interessentin, die sich wirklich gut und vernünftig anhörte, hatten wir dann Tatsache auch noch, die sich jedoch Bedenkzeit ausbat, uns erzählte, wie verliebt sie doch schon in die Katze sei und hoch und heilig versprach, sie würde sich innerhalb von x Tagen (ich weiß nicht mehr, wie vielen genau) melden. Gehört haben wir nichts mehr. Mit der Verliebtheit ist es halt auch so eine Sache…

Selbstverständlich sind nicht alle so!!! Es gibt viele richtig tolle Menschen da draußen, die Katzen ein bestmögliches Zuhause bieten, wir hatten nur in diesem Fall das „Glück“, dass es wirklich ausschließlich solche Anfragen gab. Sollte vielleicht so sein, wer weiß das schon…

Nun, was tun. Die Katze war zu diesem Zeitpunkt noch keine zwei Jahre alt und im Endeffekt schon 2x umgezogen. Neue Menschen, neue Katzen, neue Umgebung. Sie hatte schon auffälliges Verhalten gezeigt und bei einer nochmaligen Vermittlung sollte dann doch bitteschön alles 100 % passen und es sollte auf jeden Fall ein Für-Immer-Zuhause sein, auch wenn sich die Katze vielleicht nicht so verhalten würde, wie gewünscht. Wanderpokale gibt es im Tierschutz ja leider genügend.

Mittlerweile waren auch schon wieder ein paar Monate ins Land gezogen und die Besitzer drängten auf eine Lösung. An der Abgabe war nicht zu rütteln und natürlich war klar, dass ich sie – zumindest vorübergehend – wieder zurückgenommen hätte, das stand außer Frage.

Allerdings stand das Thema Drittkatze eigentlich gar nicht zu Debatte. Ich hatte hier ein Katzenpärchen, das sich gut ergänzte und harmonisch miteinander umging. Keine Selbstverständlichkeit. Vorherige Pfleglinge waren für die Hexe eher geduldete Störenfriede, denn willkommener Besuch. Zwei auch heute noch überaus aktive und lebhafte Katzen, die zuverlässig BARF futterten, wussten, wie das mit dem Katzenklo funktioniert, aber mit dem Emmchen auch eine Katze, die mehr als einmal für neue Einrichtung sorgte.

Aber die Katze zurückholen, sie hier ankommen lassen und dann wieder neu vermitteln, was vielleicht noch einige Zeit dauern könnte… hm. Das Herz hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst entschieden. Die Vernunft wehrte sich noch. ☺

Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Möchte ich das wirklich? Kann ich das wirklich leisten, mit allen möglichen Konsequenzen? Eine vielleicht langwierige und schwierige Zusammenführung, eine Futterumstellung, an Unsauberkeit arbeiten… noch so einen lebhaften Kobold wie das Emmchen im Haus zu haben… die Hexe ist jetzt auch nicht gerade eine Katze, die ich als ruhig bezeichnen würde… So etwas wollte trotz aller Katzenliebe gut überlegt sein. Es war vielleicht nur die Entscheidung für einen Teil meines Lebens, aber schließlich doch für ein ganzes Katzenleben.

Und irgendwo hatte ich auch Selbstzweifel, weil ich mich fragte, ob ich bei der ersten Vermittlung einen Fehler gemacht hatte, ob ich die Probleme hätte voraussehen können. Was aber dann im Endeffekt auch nebensächlich war, da die Entscheidung ja nicht mehr rückgängig zu machen und die aktuelle Situation zu einem guten Ende zu bringen war.

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Die erwachsene Fanny. Groß wäre gelogen. :-)

Nun letzten Endes waren sich Herz und Verstand einig, dass es eigentlich nur einen Weg gab. Und wir haben ihn nie bereut…

Sie zog hier wieder ein, bekam einen neuen Namen, Fanny, und futterte sofort (fast) ohne Zögern wieder Rohes, die Zusammenführung verlief alles in allem ruhig (Mini-Fanny knurrte und meine Beiden ließen sie in Ruhe ankommen) und ging vom ersten Tag an ganz selbstverständlich – als hätte es da nie irgendeinen Zweifel gegeben – ohne Unfälle aufs Katzenklo. Die Emma hatte einen passenden Tobekumpel, die Hexe ein wenig Entlastung und wir … ähm … noch mehr Spaß beim Scherben aufkehren und zerfetzte Klorollen aufräumen *hust* (Natürlich auch beim Öhrchen kraulen, beschnurren und belagern lassen und was unsere Samtpfoten sonst noch so ausmacht ;-) )

Zwar gab es kurzzeitig einen „Pipi-Rückfall“, aber auch das bekamen wir in den Griff. Und so lebten sie glücklich und zufrieden… ☺

Als ich hier im Blog erzählte, dass die Fanny wieder bei uns eingezogen ist, kam ein Kommentar, der mich nachdenklich gemacht hat:

Weißt Du, was ich glaube? Fanny hatte sich Euch schon damals als Zuhause ausgesucht und die Probleme hat sie nur gemacht, damit sie wieder zu Euch kommt

Ob es wirklich so war, wer weiß das schon… Seid ihr auch schon zum PSV geworden? Dann erzählt uns doch eure Geschichte.