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Wer sich mit der Katzenzucht beschäftigt oder darüber nachdenkt, seine Katze decken zu lassen und ihr einen Deckkater zu suchen, stößt früher oder später vielleicht auf den Begriff Blutgruppenunverträglichkeit bei neugeborenen Katzen, fachsprachlich Feline neonatale Isoerythrolyse (kurz FNI) oder auch Hämolyse des Neugeborenen. Im deutschsprachigen Raum ist die Erkrankung auch als Fading Kitten Syndrom bekannt. Sieht man sich aber im englischsprachigen Raum um, findet man den Begriff dort häufig zusammenfassend für sämtliche Gründe, warum Kitten sterben.

Eine Feline Neonatale Isoerythrolyse kann auftreten, wenn eine Katze mit Blutgruppe B, Welpen der Blutgruppen A oder AB wirft. Die Kitten erscheinen zunächst gesund, sterben aber oftmals in den ersten Lebenstagen. Eine Rettung ist meist nicht möglich. Um das Problem zu vermeiden, ist daher eine Blutgruppenbestimmung der Elterntiere vor einer möglichen Verpaarung unerlässlich. Grundsätzlich aber insbesondere bei Rassen, bei denen die Blutgruppe B gehäuft auftritt.

Welche Blutgruppen gibt es bei Katzen?

Unter einer Blutgruppe versteht man individuelle Unterschiede der Antigenstruktur auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen. Es sind bestimmte Glykolipide, die für die Blutgruppe verantwortlich sind. Bei Katzen sind die Blutgruppen A, B und AB (manchmal auch als C bezeichnet) bekannt.

Welche Blutgruppe eine Katze aufweist, wird genetisch bestimmt. Die Vererbung erfolgt nach dem Mendelschen Gesetz, wobei A über B dominiert. Die meisten Hauskatzen haben die Blutgruppe A (94,1 Prozent), die Blutgruppe B kommt in Deutschland mit 5,9 Prozent vor und die Blutgruppe AB lediglich mit 0,7 Prozent[1]. Bei Rassekatzen gibt es zwei Gruppen, die man trennen muss. In der einen Gruppe kommt nur Blutgruppe A vor, in der anderen sind auch die Blutgruppen B und AB vertreten. Die Blutgruppe AB gibt es nur in Rassen, in denen auch die Blutgruppe B auftritt. [2][3]

Verteilung der Blutgruppe B bei Rassekatzen (nicht vollständig)

Prozent (%) Rassen
20-45 Britisch Kurzhaar, Exotisch Kurzhaar, Chartreux, Cornish Rex, Devon Rex, Türkisch Van, Türkisch Angora.
11-20 Abessinier, Birma, Perser, Somali, Sphinx, Scottish Fold
1-10 Maine Coon, Norweger, Amerikanisch Kurzhaar

Die Blutgruppenverteilung ist je nach Rasse und Lebensort unterschiedlich. Auch die Zahlen unterscheiden sich je nach Studie und Zeitpunkt der Erhebung. Sie sind daher eher als Ansatzpunkt denn als verbindlich zu sehen.

Was hat es mit den im Blut zirkulierenden Antikörpern auf sich?

Bei Bluttransfusionen ist bekannt, dass dafür nur Blut derselben Blutgruppe verwendet werden darf, da es sonst zu einer Zusammenballung/Verklumpung (Agglutination) oder Auflösung (Hämolyse) der roten Blutkörperchen kommen kann. Eine mitunter lebensgefährliche Situation. Verantwortlich dafür sind die so genannten Iso- oder Alloantikörper, die aus einer Immunreaktion hervorgegangen und gegen das Blutgruppenantigen gerichtet sind, das die Katze jeweils nicht besitzt.

Jedoch ist die Verteilung dieser Antikörper unterschiedlich. So kommt es bei Katzen mit Blutgruppe A in 62 Prozent der Fälle zu keiner Verklumpung mit roten Blutkörperchen der Blutgruppe B, bei 36 Prozent zu einer nur geringen Zusammenballung (Grad +1 bis +2) und nur bei 2 Prozent zu einer schwerwiegenderen Verklumpung (Grad +3 bis +4).

Dagegen zeigten alle Blutproben von B-Tieren in Kontakt mit Blutproben der Blutgruppe A eine schwerwiegende Verklumpung (Grad 4+).[4]Bei AB kommt es in der Regel nicht zu einer Zusammenballung mit Erythrozyten (roten Blutkörperchen) der Blutgruppe A oder B.

In anderen Untersuchungen wiesen 46,9 Prozent aller Katzen mit Blutgruppe A keine Isoantikörper gegen B im Blut auf, jedoch 92,7 Prozent der Blutgruppe B Antikörper gegen A. [5]

Wie entsteht eine Feline Neonatale Isoerythrolyse (Fading-Kitten-Syndrom)?

Das „Fading Kitten Syndrom“ kann immer dann entstehen, wenn eine Kätzin mit Blutgruppe B mit einem Kater der Blutgruppe A verpaart wird. Die Trächtigkeit verläuft dabei zunächst symptomlos, da die Plazentaschranke als Gewebefilter den Blutkreislauf der Kätzin von dem der Kitten trennt. Denn durch diese Trennung können während der Trächtigkeit keine Antikörper aus dem Blut der Mutter in das der Katzenwelpen übergehen.

Die Probleme beginnen, wenn die Katzenwelpen mit Blutgruppe A nach der Geburt Kolostrum aufnehmen. Das Kolostrum ist die Erstmilch der Katze. Es enthält viele Proteine, Enzyme, Vitamine, Mineralien, Wachstumsfaktoren, Aminosäuren und Antikörper, stärkt die Katzenkinder und unterstützt deren Abwehrkräfte.

Mit den Gammaglobulinen des Kolostrums gehen aber auch Anti-A-Antikörper über die Darmwand ins Blut der Kitten über. Ein solcher Übergang kann nur in den ersten 16 Stunden nach der Geburt stattfinden, danach sind die Darmwände der Welpen für die mütterlichen Antikörper nahezu undurchlässig.[6]

Feline neonatale Isoerythrolyse: die einzelnen Verlaufsformen

Sind die Antikörper ins Blut der Kätzchen gelangt und kommt es zu einer Felinen Neonatalen Isoerythrolyse unterscheidet man drei Verlaufsformen, die perakute, die akute und die subklinische Form.

Perakuter Verlauf:Die gesund geborenen Kätzchen sterben symptomlos innerhalb der ersten drei Lebenstage.

Akuter Verlauf: Im akuten Verlauf zeigen die Katzenwelpen Schwäche und Gewichtsverlust. Durch die Verklumpung und Auflösung der roten Blutkörperchen kommt es zu einer Anämie und durch Schädigung der Leber zu einer Gelbsucht. Im Blut und Urin sind demnach erhöhte Bilirubingehalte und freies Hämoglobin (roter Blutfarbstoff) nachweisbar und es wird rötlich-brauner Urin ausgeschieden.

Subklinischer Verlauf: Der subklinische Verlauf der Felinen neonatalen Isoerythrolyse ist selten und führt während der zweiten Lebenswoche der Kitten aufgrund von Durchblutungsstörungen (Ischämie) zum Absterben der Schwanzspitze.

Wie die Erkrankung verläuft und ob es zu einer FNI kommt, hängt davon ab, wie hoch der Antikörpertiter der Kätzin ist und wie viel Erstmilch betroffene Kätzchen aufgenommen haben. Bei einem hohen Anti-A-Antikörpertiter der Mutter sind die Kitten natürlich besonders gefährdet. Hat die Kätzin zwar Blutgruppe B, aber einen niedrigen Antikörpertiter sind seltener Komplikationen zu erwarten. Weist das Muttertier die Blutgruppe A oder AB auf, tritt in der Regel keine Blutgruppenunverträglichkeit auf.

Wie kann man das „Fading-Kitten-Syndrom“ behandeln?

Haben die Katzenkinder bereits Kolostrum der Mutter getrunken und über die Darmwand aufgenommen, ist eine Behandlung kaum noch möglich. Zwar kann man versuchen, die Katzenwelpen mit Transfusionen mit Erythrozytenkonzentrat frei von Anti-A-Antikörpern zu behandeln, jedoch entwickelt sich die Feline Neonatale Isoerythrolyse sehr schnell und die meisten Kätzchen sterben im perakuten oder akuten Verlauf.

Was kann ich tun, wenn bereits eine Risikoverpaarung stattgefunden hat?

Ist es durch Unwissenheit bereits zu einer Risikoverpaarung gekommen oder wurde eine solche bewusst herbeigeführt, müssen die Katzenkinder mindestens in den ersten 16 Stunden (teilweise werden auch 24 oder 48 Stunden empfohlen) von der Mutter getrennt und mit Ersatzmilch ernährt oder durch eine geeignete Amme mit Blutgruppe A gesäugt werden. So wird die Aufnahme der Anti-A-Antikörper über das Kolostrum der Mutter verhindert.

Die Vererbung der Blutgruppen folgt den Mendelschen Regeln. Die Blutgruppe A ist damit dominant über die Blutgruppen AB und B. Ist also die Kätzin reinerbig für B (genetisch b/b) und der Kater reinerbig für die Blutgruppe A, weisen alle Kätzchen die Blutgruppe A auf. Sind beide Elterntiere reinerbig für B, besitzen auch alle Katzenwelpen die Blutgruppe B.

Ist der Kater aber mischerbig für die Blutgruppe A (genetisch a/b) hat die Hälfte der Kitten die Blutgruppe B, die andere Hälfte die Blutgruppe A, demnach müssten eigentlich nur die Katzenwelpen mit der Blutgruppe A während der ersten 16 Stunden getrennt werden. Die Bestimmung der Blutgruppe über das Nabelschnurblut der Kitten (Testkärtchen) funktioniert in der Praxis allerdings nicht immer.

Ist die Blutgruppe der Elterntiere nicht bekannt, hat aber bereits eine Verpaarung stattgefunden, sollte diese schnellstmöglich bestimmt werden, um gegebenenfalls entsprechende Vorkehrungen treffen zu können.

Wie kann ich eine Blutgruppenunverträglichkeit bei Kitten von Vornherein vermeiden?

Am sichersten ist es, Risikoverpaarungen von Vornherein zu vermeiden und sich vor der Deckung umfassend zu informieren. Neben umfassendem Wissen über Genetik, Aufzucht und artgerechte Katzenhaltung gehören zu einer seriösen Zucht mit vernünftigem Ziel zahlreiche weitere Untersuchungen (z. B. auf vererbbare Krankheiten) und eben auch eine Blutgruppenbestimmung der Elterntiere.

(Ein vernünftiges Ziel ist zum Beispiel den Fortbestand einer Rasse zu sichern oder diese zu verbessern. Beispiele für nicht sinnvolle Ziele sind: „Ich möchte meine Katze decken lassen, weil die Rolligkeit nervig ist“, „Ich möchte, dass meine Kinder einmal das Wunder der Natur erleben.“, „Ich möchte, dass meine Katze einmal Mutterglück erleben darf.“ oder „Ich möchte meine hübschen Katzen verpaaren, weil sich die Jungtiere bestimmt gut verkaufen lassen.“)

[green_box]Wer grundsätzlich und insbesondere bei Katzen, bei denen häufig die Blutgruppe B vorkommt, einfach Kater und Katze zusammenbringt und hofft, dass alles gut geht, handelt grob fahrlässig und nimmt billigend den Tod der Katzenwelpen und je nach Fall auch der Mutter in Kauf![/green_box]

[1]HAARER, M., GRÜNBAUM, E.G. (1993): Blutgruppenserologische Untersuchungen bei Katzen in Deutschland. Kleintierpraxis 38: 195-204.

[2]GIGER, U., BÜCHELER, J., PATTERSON, D.F. (1991A): Frequency and inheritance of A and B blood types in feline Breeds of the United States. J. Hered. 82: 15-20.

[3]GRIOT-WENK, M.E., GIGER U. (1995): Feline transfusion medicine. Blood types and their clinical importance. Vet. Clin. North Am., Small Anim. Pract. 25: 1305-1322.

[4]BÜCHELER, J.; GIGER, U. (1993): Alloantibodies against A and B blood types in cats. Vet. Immunol. Immunpathol. 38: 283-295.

[5]HAARER, M. (1992): Die klinische Bedeutung der Blutgruppen bei der Katze. Diss. Vet. Med., Justus-Liebig-Universität Gießen.

[6]CASAL, M.L., JEZYK, P.F., GIGER, U. (1996): Transfer of colostral antibodies from queens to their kittens. Am. J. Vet. Res. 57; 1653-1658.