Vergiftungen
Die Ethylenglykolvergiftung der Katze
Eine Ethylenglykolvergiftung endet bei Katzen zu 98 Prozent tödlich. Häufig aufgrund dessen, dass die Tiere viel zu spät dem Tierarzt vorgestellt werden. Oft erst dann, wenn bereits die Nieren versagen, da Vergiftungssymptome zuvor nicht erkannt oder falsch interpretiert wurden.
Doch was ist Ethylenglykol eigentlich? Warum ist es für Katzen so gefährlich? Wie erkennt ihr eine Vergiftung und wie könnt ihr eure Katze vor einer solchen möglichst wirksam schützen? Diese und weitere Fragen sind der Inhalt dieses Artikels.
Was ist Ethylenglykol eigentlich?
Ethylenglykol (1,2-Ethandiol) ist eine leicht zähflüssige Flüssigkeit, die farb- und geruchlos ist und sich gut mit Wasser mischen lässt. Die Flüssigkeit besitzt eine stark gefrierpunkterniedrigende Wirkung, weshalb Ethylenglykol häufig in Frostschutzmitteln eingesetzt wird.
Der Geschmack des Ethylenglykols (griechisch glykos = süß) ist süßlich, was es besonders für Hunde attraktiv macht. Und obwohl die Katze durch das Fehlen des T1R2-Gens Süßes in dem Sinn nicht schmecken kann, kommt es auch bei den Samtpfoten immer wieder zu Vergiftungen. Häufig sind junge Katzen oder Hunde betroffen.
Die minimale tödliche Dosis von unverdünntem Ethylenglykol liegt bei 1,5 Milliliter/Kilogramm Katze.1 Zum Vergleich: Ein Teelöffel fasst 5 Milliliter Flüssigkeit, wir sprechen also wirklich über sehr geringe Mengen!
In welchen Produkten ist Ethylenglykol enthalten?
Ethylenglykol ist am ehesten als Frostschutzmittel bekannt, weshalb sich auch die meisten Warnungen nur um diese Produkte drehen.
Vergiftungen können bei Katzen vorkommen, wenn die Tiere durch Pfützen mit verschüttetem Frostschutzmittel laufen und sich anschließend putzen. Davon ab gilt die Redensart „Neugier ist der Katze Tod“ leider manchmal auch in diesem Fall, wenn die Tiere z. B. an den Flaschen lecken. Auch gezielte böswillige Vergiftungen mit Ethylenglykol sind möglich.
Es ist aber wichtig zu wissen, dass darüber hinaus unter anderem auch Lösungsmittel, fotografische Entwickler, Bremsflüssigkeit, Lacke und Farben, Klebstoffe, Reinigungsmittel, Türschlossenteiser oder die beliebten mit Gel gefüllten Kalt-Warm-Kompressen oder Kühlakkus (speziell ältere Modelle) Ethylenglykol enthalten können.2
Was macht Ethylenglykol im Körper der Katze?
Ethylenglykol wird über den Magen-Darm-Trakt ziemlich schnell aufgenommen, die höchsten Plasmakonzentrationen (im Blut der Katze) werden etwa 1 bis 6 Stunden nach der Aufnahme erreicht. In der Leber wird der Stoff dann durch die Enzyme Alkoholdehydrogenase und Aldehyddehydrogenase verstoffwechselt, wodurch als Stoffwechselprodukte (Metaboliten) wiederum Glycolaldehyd, Glycolsäure, Glyoxylsäure und Oxalsäure entstehen. Diese Stoffwechselprodukte werden im Anschluss über die Nieren ausgeschieden.
Eine Vergiftung durch Ethylenglykol zeigt sich in zwei zeitlich voneinander getrennten Phasen. Für die erste Phase ist das Ethylenglykol selbst verantwortlich, die Symptome der zweiten Phase werden durch dessen Stoffwechselprodukte verursacht.
Welche Symptome treten bei einer Ethylenglykolvergiftung der Katze auf?
Erste Symptome treten etwa 30 Minuten nach Giftaufnahme auf und halten für etwa zwölf Stunden an. In dieser ersten Phase fallen die Tiere meist durch einen rauschähnlichen Zustand auf, der mit einer Depression des Zentralen Nervensystems einhergeht. Die Tiere wirken z. B. desorientiert, haben Koordinationsschwierigkeiten (Ataxie) und wirken teilnahmslos. Durch die Reizung der Schleimhäute kommt es zu Erbrechen, die Katzen trinken zudem oft auffallend viel.
In der zweiten Phase wirken sich Stoffwechselprodukte wie Glycolaldehyd und Oxalsäure schädigend auf die Nieren und das Zentrale Nervensystem aus. Eine stoffwechselbedingte Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose) tritt in der Regel nach etwa drei Stunden auf und wird durch die Stoffwechselprodukte des Ethylenglykols verursacht. Etwa 12 bis 24 Stunden nach der Aufnahme ist durch Ablagerung von Calciumoxalatkristallen in den Nierentubuli mit Symptomen eines Nierenversagens zu rechnen.
Mögliche Symptome einer Ethylenglykolvergiftung im Überblick
- Koordinationsstörungen (Ataxie)
- Durst, Austrocknung (Dehydratation)
- ZNS-Depression
- Probleme mit Kreislauf und Atmung
- Teilnahmslosigkeit (Lethargie)
- Koma
- Untertemperatur
- Muskelzuckungen und Krämpfe
- Erbrechen, Durchfall
- Defekte (Erosionen) in der Mundhöhle, die vermehrten Speichelfluss auslösen
- Koliken
- Schmerzhafte Nieren
- Vermehrter Harnabsatz (Polyurie), stark verminderter Harnabsatz (Oligurie), kein Harnabsatz mehr (Anurie) <= wir erinnern uns, die Nieren der Katze versagen durch die Vergiftung.
- Defekte und Geschwürbildung (Ulzeration) an den Schleimhäuten
Eine Katze, die auch nur ansatzweise solche Symptome zeigt und/oder bei der der Verdacht besteht, dass sie Ethylenglykol (oder einen anderen Giftstoff) aufgenommen haben könnte, gehört unverzüglich in die Hände eines Tierarztes. Nicht morgen, nicht erst nach Feierabend oder wenn es sonst zeitlich passt, sondern sofort!
Wie wird eine Ethylenglykolvergiftung diagnostiziert?
Im Idealfall wurde beobachtet, dass die Katze Frostschutzmittel oder ähnliches aufgenommen hat, so dass man nicht lange im Trüben fischen muss. Teilweise kann auch die Untersuchung von Maulhöhle, Kopf, Pfoten, Erbrochenem oder Harn der Katze mit einer Schwarzlichtlampe (Wood-Lampe) den Verdacht auf eine Ethylenglykolvergiftung erhärten, da Frostschutzmitteln zum Teil fluoreszierende Stoffe beigemischt werden, die Leckstellen im Kühlsystem sichtbar machen sollen. Im Harn ist der Farbstoff etwa sechs Stunden nach Aufnahme zu finden.
Davon abgesehen ist Ethylenglykol im Blut, Serum oder Harn für etwa 48 bis 72 Stunden nachweisbar. Der maximale Spiegel wird im Serum ein bis sechs Stunden nach der Einnahme erreicht. Weitere Hinweise gibt die allgemeine Laboruntersuchung (Blutbild, Urinuntersuchung).
Wie kann eine Ethylenglykolvergiftung behandelt werden?
Zur Behandlung einer Ethylenglykolvergiftung gibt es bei der Katze verschiedene Möglichkeiten.
Grundsätzlich gilt: Umso früher die Behandlung beginnt, umso höher sind die Überlebenschancen. Im Idealfall sollte die Behandlung innerhalb von drei Stunden nach Aufnahme des Stoffes beginnen. Also nochmal: Beim kleinsten Verdacht => Tierarzt konsultieren!
Wurde die Katze bei der Aufnahme beobachtet und gelangt die Katze etwa innerhalb von einer Stunde zum Tierarzt, ist es möglich, das Tier erbrechen zu lassen oder eine Magenspülung durchzuführen, um die weitere Aufnahme des Giftstoffes über den Magen-Darm-Trakt aufzuhalten.
Verabreichung eines Gegenmittels
Ist die Katze innerhalb von drei bis vier Stunden nach Aufnahme beim Tierarzt, kann dieser einen Therapieversuch mit einem Gegenmittel starten. Am häufigsten wird hier mit Alkohol (Ethanol) gearbeitet. Was auf den ersten Blick sehr seltsam erscheint, macht auf den zweiten durchaus Sinn.
Denn Ethylenglykol ist Ethanol sehr ähnlich und wird im Körper über das gleiche Enzymsystem verstoffwechselt. Gibt man dem Tier nun Alkohol, setzt sich dieser an die Bindungsstellen des Enzymsystems und behindert die Verstoffwechselung von Ethylenglykol. So lässt sich im Idealfall größerer Schaden durch die Stoffwechselprodukte des Ethylenglykols verhindern.
Die Gabe von Ethanol MUSS unter tierärztlicher Überwachung erfolgen, da unter anderem die Gefahr eines Atemstillstandes besteht!
Eine Alternative zu Ethanol ist Fomepizol (4-Methylpyrazon). Fomepizol verspricht eine höhere Überlebensrate bei Katzen3 und geringere Nebenwirkungen4, ist aber zum einen relativ teuer und zum anderen im Notfall nicht immer schnell genug verfügbar.
Spätestens kann die Therapie mit einem Gegenmittel 12 Stunden nach Giftaufnahme eingeleitet werden.5
Zusätzlich wird man versuchen, den Zustand der Katze insgesamt zu stabilisieren bzw. stabil zu halten.
Achtung: Aktivkohle bindet keine Glykole und ist bei einer Ethylenglykolvergiftung nicht von Nutzen.
Wie kann ich eine Ethylenglykolvergiftung bei meiner Katze verhindern?
Der beste Schutz vor einer Vergiftung besteht darin, auf gefährliche Produkte soweit möglich zu verzichten oder sie zumindest gut zu verstauen und für die Katzen unzugänglich aufzubewahren. Das gilt auch für Ethylenglykol.
Sollten Tropfen von Frostschutzmittel o. ä. auf den Boden gelangen, wischt diese bitte umgehend und komplett auf und die Fläche gründlich mit Wasser nach. Für eine Vergiftung sind bereits kleinste Mengen ausreichend!
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- CliniTox Giftsubstanz: Ethylenglykol – Kleintier | www.vetpharm.uzh.ch [↩]
- Melchers V. (2017). Der zerbissene Kühlakku. In: Der Praktische Tierarzt 98. Heft 10/2017. S. 1010-1012 [↩]
- Thrall MA, Connally HE, Grauer GF & Hamar DW (2013) Ethylene Glycol. In: Small Animal Toxicology, Third Edition. Eds. Peterson ME & Talcott PA. W.B. Saunders Company, Philadelphia, pp. 551-567 [↩]
- Löscher W, Richter A, Potschka H (2014). Ethylenglykolvergiftung. In: Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren. 9. aktualisierte und erweiterte Auflage. Enke Verlag, Stuttgart. S. 492 [↩]
- Lutz H, Kohn B, Forterre F (2014). Ethylenglykolvergiftung. In: Krankheiten der Katze, 5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Enke Verlag, Stuttgart. S. 275 [↩]