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Schmerzen hat niemand gerne, auch unsere Haustiere nicht. Jedoch sind leider auch viele unserer Katzen im Laufe ihres Lebens von schmerzhaften Problemen des Bewegungsapparats wie Osteoarthrose betroffen. Therapiert wird hier in der Regel mit Schmerzmitteln. Eine relativ neue Möglichkeit ist hier das Produkt „Solensia“, bei dem die schmerzlindernde Wirkung auf monoklonalen Antikörpern beruht.

Darüber und über unsere Erfahrungen mit Solensia möchte ich euch in diesem Artikel berichten.

Hexe wird mit Solensia behandelt

Die Osteoarthrose bei der Katze

Eine Osteoarthrose ist zunächst einmal eine chronische Erkrankung der Gelenke, bei der die Gelenkknorpel und die angrenzenden Gewebe geschädigt werden. Man unterscheidet hier zwischen primären und sekundären Osteoarthrosen, wobei bei Katzen oft die primäre Form (altersbedingte Abnutzung der Gelenke) vorkommt.

Man geht davon aus, dass die große Mehrzahl der Katzen ab 12 Jahren an einer Osteoarthrose leidet, jedoch sind die Zeichen bei der Katze oft recht subtil. Deutliche Lahmheiten sieht man bei der Katze eher selten. Man tut daher gut daran, speziell ältere Tiere gut zu beobachten. Wird die Katze ruhiger und/oder zögert sie zum Beispiel vor Sprüngen oder sucht den einfacheren Weg vom Fensterbrett oder vom Kratzbaum statt wie sonst zu springen, ist es ratsam, immer auch an Gelenkbeschwerden zu denken und den Verdacht tierärztlich abklären zu lassen.

Osteoarthrose kann verschiedene Gelenke wie die Knie- oder Ellenbogengelenke betreffen. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule zeigen sich u. a. in Form von Spondylosen.

Eine Behandlung der Osteoarthrose erfolgt in der Regel in Form einer medikamentösen Schmerztherapie, die man noch um andere Maßnahmen wie z. B. Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Tieren, Physiotherapie, Anpassung der Umgebung oder Futterergänzungen wie z. B. die gezielte Gabe von Omega-3-Fettsäuren ergänzen kann.

Als Schmerzmittel kommt in den meisten Fällen ein nichtsteroidaler Entzündungshemmer (NSAID / NSAR), allen voran Meloxicam, zum Einsatz. Inwiefern ein NSAID als Schmerzmedikation für die individuelle Katze zur Langzeittherapie geeignet ist oder ob man die Katze besser auf ein anderes Präparat einstellt, kommt auf den generellen Gesundheitszustand einschließlich des Ansprechens des Tieres auf die Therapie, der individuellen Verträglichkeit (Nebenwirkungen ja/nein und welche), eventueller weiterer Erkrankungen und zugehöriger Medikamente an.

Hier ist der behandelnde Tierarzt der Ansprechpartner der Wahl (Anm. d. Red.: nicht die Facebook-Community, bei der oftmals schon (hirnloses) Entsetzen ausbricht, wenn das Wort „Metacam“ auch nur erwähnt wird).

Solensia als Alternative für Katzen mit Osteoarthrose-bedingten Schmerzen?

Schmerzmittel ist nicht gleich Schmerzmittel. Die Medikamente setzen an verschiedenen Stellen an, um eine Schmerzausschaltung zu erreichen und je nachdem, wo der Schmerz sitzt und wie stark er ist, kann das eine Schmerzmittel besser geeignet sein, als das andere. Dazu kommen natürlich auch noch die vorgenannten Faktoren, den Gesundheitszustand betreffend, die der Tierarzt bei der Wahl des passenden Schmerzmittels für die jeweilige Katze mit einbeziehen muss. Solensia setzt dabei an anderer Stelle an, als beispielsweise ein NSAID oder ein Opiat.

Worauf basiert die Wirkung von Solensia?

Solensia enthält den Wirkstoff Frunevetmab. Sieht man sich die Beschreibung des Präparats an, findet man dazu folgendes:

„Frunevetmab ist ein felinisierter monoklonaler Antikörper gegen den Nervenwachstumsfaktor (NGF), der rekombinant in Eierstockzellen des Chinesischen Hamsters (CHO) exprimiert wird.“

Klingt interessant, oder? Aber was heißt das jetzt genau? Sehen wir uns das im Detail nacheinander an.

Was sind felinisierte monoklonale Antikörper?

Unter monoklonalen Antikörpern versteht man Antikörper, die von einer Zelllinie produziert werden, die auf einem einzigen B-Lymphozyten basiert.

Man macht sich dabei die normale Funktion der B-Lymphozyten in der spezifischen Immunantwort zunutze, die beinhaltet, dass die Antikörper ganz spezifisch bestimmte Moleküle (darunter auch Rezeptoren) binden und somit blockieren können. Man vervielfältigt im Labor mithilfe der CHO-Zellen also ganz gezielt Antikörper, die nur an der gewünschten Stelle ihre Arbeit verrichten.

Diese Antikörper können ganz vielfältig eingesetzt werden und gelten als sehr vielversprechend, z. B. in der Krebstherapie, als mögliche Alternative zu Antibiotika, bei Dermatitis oder eben auch in der Schmerztherapie.

Verwendet werden dafür nur noch CHO-Zellen, die schon 1958 isoliert wurden und in-vitro (also im Reagenzglas) vermehrt werden, es müssen also keine Hamster für die Produktion der monoklonalen Antikörper sterben.

Der Begriff „felinisiert“ bezieht sich im Endeffekt nur darauf, dass die Antikörper „an Katzen angepasst“ sind, beim Mensch spricht man hier entsprechend von „humanisierten monoklonalen Antikörpern“. (Anm. Ist jetzt so nicht ganz korrekt, in Wahrheit ist das ein wenig komplizierter, aber für unsere Zwecke reicht das so). Heißt im Endeffekt, dass Solensia speziell auf Katze abgestimmt ist. Für jedes andere Tier braucht man ein tierartspezifisches Präparat, wie z. B. das Medikament „Librela“ für Hunde.

[green_box] Tipp: Wenn du mit Begriffen wie B-Lymphozyten, spezifische Immunantwort usw. gerade nicht wirklich etwas anfangen kannst, dann sieh dir doch einmal dieses Video von Simple Club zum Thema an. Eventuell hilft es dir, wenn du dir Teil 1 zusätzlich noch ansiehst. [/green_box]

Was ist der Nervenwachstumsfaktor (NGF)?

Während der Embryonalentwicklung, also in der Zeit, in der sich unser Kätzchen im Mutterleib entwickelt, muss sich bei diesem unter anderem ein funktionsfähiges Nervensystem bilden. Der Nervenwachstumsfaktor (englisch: „nerve growth factor“, kurz NGF), der zur Gruppe der Neutrophine gehört, regt hier die Aussprossung von Neuronen (Nervenzellen) an, um dies möglich zu machen.

Beim erwachsenen Tier hat der Nervenwachstumsfaktor (NGF)  nicht nur eine stabilisierende Wirkung, sondern fungiert auch als Signalprotein, das in geschädigtem Gewebe produziert wird und durch seine Wechselwirkung mit TrkA (Tropomyosin-Rezeptorkinase A) eine wesentliche Rolle bei der Schmerzwahrnehmung einnimmt. Bei Gewebeschädigung bewirkt NGF ein Aussprossen verletzter Neuronen.

Liegen entzündliche Gelenkerkrankungen vor, wird zunehmend NGF gebildet, das dann an den TrkA-Rezeptor im Gelenk andockt. Der Rezeptor wiederum meldet über sensible Nervenfasern entlang der Verbindung mit dem Rückenmark Schmerzsignale ans Gehirn. Der Schmerz im Gelenk wird mit der Schmerzwahrnehmung im ZNS verknüpft und die Schmerzen werden vom Tier wahrgenommen.

Was machen nun die monoklonalen Antikörper in Solensia?

Der Wirkstoff in Solensia, Frunevetmab, ist ein monoklonaler Antikörper, der in der Lage ist, den Nervenwachstumsfaktor (NGF) zu erkennen und sich an diesen zu binden. So wird verhindert, dass sich der „Nerve Growth Factor“ an seine TrkA-Rezeptoren an Nervenzellen binden kann und die Übertragung von Schmerzsignalen wird verhindert. Dadurch trägt das Präparat zur Linderung von Osteoarthrose-bedingten Schmerzen bei.

Zusammenfassend und anschaulich ist das in diesem Video noch einmal erklärt: 

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[green_box]Hinweis: Die Beschreibung ist jetzt kurz und knackig auf das Wesentliche beschränkt und teilweise auch vereinfacht dargestellt. Wer tiefer einsteigen will und kann (weil sehr gute Englischkenntnisse und entsprechender fachlicher Hintergrund), dem seien die unter Referenzen aufgeführten Werke empfohlen.[/green_box]

Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Eignung für das jeweilige Tier

Jedes Medikament, das „wirkt“, kann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. Es gibt keine (sinnvollen) Schmerzmittel, die nicht neben der gewünschten auch unerwünschte Wirkungen haben können. Ist einfach so. Bei Solensia traten hier in Studien häufig Hautreaktionen wie z. B. Juckreiz und Dermatitis auf.

Daneben gibt es diverse Berichte anekdotischer Art (also einzelne Berichte von Tierbesitzern, die Symptome bei ihren eigenen Tieren beobachtet und in Verbindung mit der Gabe von Solensia gebracht haben), die u. a. Probleme mit dem Pankreas (Bauchspeicheldrüse) nach der Gabe von Solensia einschließen. Dass diese gesundheitlichen Probleme nach der Gabe aufgetreten sind, kann in Verbindung mit Solensia stehen, muss aber nicht. (Schadet aber auch nichts, wenn man es im Hinterkopf behält.) Die Wirkung und der Abbau erfolgen ohne nennenswerte Beteiligung von Leber und Nieren, was Solensia gerade für ältere Tiere und Tiere mit Vorerkrankungen in diesen Bereichen zu einer interessanten Option macht.

Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind derzeit keine bekannt. Beim Menschen gibt es Berichte über ein schnelleres Fortschreiten der Osteoarthrose bei gleichzeitiger langfristiger Gabe eines NSAID, bei Katzen gibt es bisher keine derartigen Berichte.

Nicht gegeben werden soll Solensia an trächtige Katzen und solche, die gerade Kitten säugen sowie allgemein Zuchttiere. Außerdem nicht an Katzen mit einem Gewicht unter 2,5 Kilogramm und einem Alter von unter 12 Monaten.

[red_box]Wichtig: Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Schmerzmittel erfolgt immer nach einer gründlichen Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Tierarzt.

Ob Solensia für eure Katze geeignet ist oder ob ihr im individuellen Fall besser auf ein anderes Schmerzmittel zurückgreift, besprecht ihr daher bitte immer auf jeden Fall mit dem Tierarzt eures Vertrauens![/red_box]

Unsere Erfahrungen mit Solensia

Wir setzen Solensia bei Hexe seit Januar 2022 aufgrund von „Rückenproblemen“ (Spondylosen) ein, nachdem andere Schmerzmittel aufgrund anderer Erkrankungen und zugehöriger Medikamente nicht mehr möglich und/oder nicht ausreichend waren und können bislang ein deutliches Mehr an Lebensqualität beobachten. Nebenwirkungen sind bisher keine aufgetreten. Emma wird seit Anfang 2023 ebenfalls mit Solensia behandelt. Auch sie zeigt bisher keinerlei Nebenwirkungen.

Referenzen

  • Beck W. Wie wirken eigentlich… monoklonale Antikörper? Team konkret 2021; 17; 12-14.
  • Denk F, Bennett DL, McMahon SB. Nerve Growth Factor and Pain Mechanisms. Annu Rev Neurosci. 2017 Jul 25;40:307-325. doi: 10.1146/annurev-neuro-072116-031121. Epub 2017 Apr 24. PMID: 28441116.
  • Enomoto M, Mantyh PW, Murrell J, Innes JF, Lascelles BDX. Anti-nerve growth factor monoclonal antibodies for the control of pain in dogs and cats. Vet Rec. 2019 Jan 5;184(1):23. doi: 10.1136/vr.104590. Epub 2018 Oct 27. PMID: 30368458; PMCID: PMC6326241.
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  • Gruen ME, Myers JAE and Lascelles BDX (2021) Efficacy and Safety of an Anti-nerve Growth Factor Antibody (Frunevetmab) for the Treatment of Degenerative Joint Disease-Associated Chronic Pain in Cats: A Multisite Pilot Field Study. Front. Vet. Sci. 8:610028. doi: 10.3389/fvets.2021.610028
  • Gruen ME, Myers JAE, Tena JS, Becskei C, Cleaver DM, Lascelles BDX. Frunevetmab, a felinized anti-nerve growth factor monoclonal antibody, for the treatment of pain from osteoarthritis in cats. J Vet Intern Med. 2021 Nov;35(6):2752-2762. doi: 10.1111/jvim.16291. Epub 2021 Nov 1. PMID: 34724255; PMCID: PMC8692178.
  • Levi-Montalcini R. The nerve growth factor 35 years later. Science. 1987 Sep 4;237(4819):1154-62. doi: 10.1126/science.3306916. PMID: 3306916.
  • Walters RR, Boucher JF and De Toni F (2021) Pharmacokinetics and Immunogenicity of Frunevetmab in Osteoarthritic Cats Following Intravenous and Subcutaneous Administration. Front. Vet. Sci. 8:687448. doi: 10.3389/fvets.2021.687448
  • Produktinformation Solensia (abgerufen am 21.06.2022)
  • Produktinformation Solensia USA (abgerufen am 16.11.2022)

(zuletzt aktualisiert: 19.07.2022)

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