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Im Gespräch mit anderen Katzenhaltern, ganz gleich, ob online oder offline taucht die Frage immer wieder auf. „Plant ihr für den Notfall?“, „Habt ihr euch schon einmal darüber Gedanken gemacht, was mit euren Tieren passiert, wenn bei euch zu Hause ein Feuer ausbricht?“ usw.. Ich habe und habe gottseidank auch jemanden gefunden, der mir meine neugierigen Fragen beantwortet. ;-)

Haustiger: Hallo Ingo, erzähl doch mal ein wenig von dir, damit unsere Leser auch wissen, mit wem sie es zu tun haben.

Ingo: Mein Name ist Ingo Behring, 43 Jahre alt. Ich bin seit über fünfundzwanzig Jahren bei der Feuerwehr aktiv, zum einen bei der Freiwilligen Feuerwehr in Bad Driburg und seit 1997 bei der Berufsfeuerwehr. Daneben bin ich Autor des Buches „112- der tägliche Wahnsinn“.

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Haustiger: Lebst du selbst mit Katzen zusammen? Und hast du dir schon einmal Gedanken zu dem Thema Katze und Brandfall gemacht?

Ingo: Ich lebe selbst in einer Wohngemeinschaft mit einer Europäisch Kurzhaar und habe mir natürlich auch schon mal Gedanken darüber gemacht, wie schnell ich meiner Katze im Ernstfall habhaft werden könnte. Das ist aber, wie ich aus Einsatzerfahrungen gelernt habe, nicht so einfach: Katzen verstecken sich unter Stress in den tiefsten Ecken. Sie sind eben auch heute noch Höhlenbewohner.
Der Nachteil: Man kommt oft sehr schlecht an sie heran, was Zeit kostet – wenn man das Tier überhaupt in der Hektik der Situation findet. Hier muss man leider sagen, dass man zunächst an sein eigenes Leben denken sollte. Auch für die Rettungskräfte, die im schwarzen Rauch häufig nur tastend die Wohnung erkunden können, ist es schwer, sie zu entdecken.
Der Vorteil dieser Verstecke: In diese kleinen Winkel, z.B. unter einer Eckbank oder hinter dem Sofa, dringt der Brandrauch als letztes vor. So habe ich es schon mehrfach erlebt, dass wir in einer stark brandgeschädigten Wohnung, in der kein Mensch überlebt hätte, bei den Aufräumarbeiten eine verängstigte, aber unverletzte Katze gefunden haben. Im Gegensatz zum Menschen können Katzen alleine aufgrund ihrer geringen Größe also auch in stark verrauchten Wohnungen begrenzte Zeit überleben. Dabei sind die Chancen höher als bei einem Hund, bei dem es wahrscheinlicher ist, dass er im Rauch herumläuft und einen Ausgang oder sein Herrchen sucht.

Haustiger: Ein Wohnungsbrand ist für viele Menschen eine Horrorvorstellung. Besonders Tierhalter fragen sich in diesem Zusammenhang häufig, wie sie nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Tiere vor den Flammen retten können. Angenommen, ich befinde mich bei Ausbruch eines Feuers samt meinen Tieren im Haus. Wie verhalte ich mich am besten? Wie viel Zeit habe ich im Schnitt, um meine Katzen zu finden, einzupacken und mitzunehmen?

Ingo: Ein Zimmerbrand kann sich innerhalb von drei bis vier Minuten zum Vollbrand ausweiten. Das Überleben ist dann für Menschen nicht mehr möglich. Eine Zeit zu bestimmen, die man sich im Brandfall für die Suche nehmen könnte, ist daher nicht abzugrenzen. Sie hängt davon ab, wie früh das Feuer überhaupt entdeckt wird und wie schnell sich Rauch und Feuer ausbreiten. Denn das Gefährlichste an einem Zimmer- oder Wohnungsbrand ist nicht das Feuer, sondern der Rauch:

Wird es heiß, merkt man ziemlich schnell, wann man in Gefahr ist und zieht sich zurück. Ist der Raum aber mit Rauch gefüllt, wird die Situation oft unterschätzt! Eine Rauchvergiftung, die auch tödlich sein kann, ist die Folge.

Ist die Raumluft also bei einem kleinen Entstehungsbrand nur leicht mit Rauch verhangen, kann man schnell noch die wahrscheinlichsten Verstecke nach seiner Katze absuchen. Hat man jedoch schon Mühe, die gegenüberliegende Wand zu erkennen, ist man selbst in Lebensgefahr! Diese Grenze ist sehr diffus und kann von einem Laien leider nicht wirklich eingeschätzt werden. Feuerwehrleute bekommen nicht umsonst eine sehr umfangreiche Ausbildung.

Haustiger: Angenommen, ein Feuer bricht aus und ich befinde mich nicht im Haus, aber meine Katzen. Wie kann ich die Feuerwehr auf meine Tiere aufmerksam machen? Bringen Schilder an der Tür etwas, wie zum Beispiel die Notfallaufkleber von PETA? Wie müsste ein solcher Hinweis beschaffen sein, damit er im Eifer des Gefechts bemerkt wird?

Ingo: Der einfachste Weg ist natürlich der Hinweis eines Nachbarn oder vielleicht sogar vom Halter selbst an den Einsatzleiter. Dieser kann es dann über Funk an seinen Trupp vor Ort weitergeben.
Aufkleber wie der beschriebene sind auch eine wertvolle Information, zumal die Kollegen dann auch wissen, welcher Art das Haustier ist: Eine Katze würde ängstlich in einer kleinen Ecke sitzen und lässt sich einfach nehmen und heraustragen – wenn man sie überhaupt im ersten Angriff findet. Ein großer Hund hingegen würde womöglich trotz Panik sein Revier verteidigen.
Aufkleber dieser Art gehören, sofern man sie anbringen möchte, in den unteren Bereich der Tür: Da Rauch und Hitze nach oben ziehen, betreten Feuerwehrleute eine Brandwohnung nur tief gebückt bzw. im Kriechgang. Im unteren Türbereich können wir einen Hinweis am besten finden. Das gleiche gilt auch für die Aufkleber für Kinderzimmertüren.

Haustiger: Manche Katzenhalter trainieren ihre Katzen mithilfe von Clickertraining dahingehend, bei Ertönen des Rauchmelders in ihre Transportboxen zu gehen, um die Evakuierung zu erleichtern. Im Brandfall tönt jedoch ja nicht nur der Rauchmelder, sondern die Katzen bekommen es mit Hitze, Rauch, panischen Menschen… zu tun. Kannst du dir dennoch vorstellen, dass das im Ernstfall funktioniert?

Ingo: Man kann Katzen bekanntlich eine Menge beibringen. Allerdings sind Katzen nicht so menschenfixiert wie Hunde: Während Hunde ihren Menschen als „Rudelführer“ akzeptieren und auch (oder gerade) in Krisensituationen Hilfe von ihm erwarten, machen Katzen ihre „Kunststückchen“ meist nur gegen Leckerlies. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass Katzen im Brandfall den Fluchtinstinkt höher einstufen als die Aussicht auf ein schnödes Leckerli. Sie werden also wahrscheinlich nicht in der gewünschten Art handeln, wenn sie das Feuer bemerkt haben, wie sie überhaupt auf Veränderungen der Umgebung empfindlich reagieren. Dieses wird in der Regel schon sein, bevor ein Rauchmelder anschlägt, da dieser einiges an Rauch zum Alarm geben braucht.
Für den Fall, dass das Feuer noch nicht von dem Tier bemerkt (und als Gefahr verstanden) wurde, kann es aber hilfreich sein, wenn sie z.B. bei Rauchmelderalarm einen bestimmten Ort aufsucht.
Schaden kann so ein Training sowieso nicht, die Katze ist im Training zumindest beschäftigt. Ihr ist es gleich, ob sie für das Leckerchen Pfötchen geben soll (nur niedlich), oder an einen sicheren Ort geht (vielleicht lebensrettend).

Haustiger: Hast du davon ab, eine Idee, wie ich mich auf einen möglichen Brand bestmöglich vorbereiten kann bzw. gibt es sinnvolle Maßnahmen, die die „Flucht“ aus dem brennenden Haus bzw. das Löschen im Ernstfall erleichtern?

Ingo: Es ist immer gut, sich auf einen Notfall vorzubereiten, indem man sich z.B. Fluchtpläne überlegt. Alleine durch diese Vorbereitung beschäftigt man sich mit dem Thema, ein Notfall erscheint einem dann nicht als etwas, was nur den anderen passieren kann. Im Ernstfall ist man dementsprechend nicht schon von vornherein überfordert und reagiert darum nicht kopflos.
− Die Wohnung sollte, wenn möglich, keine unzugänglichen Verstecke bieten. Wenn sich eine Katze hinter ein Sofa flüchtet, können wir sie nicht finden. Sind die möglichen Verstecke gut zugänglich (Kratzbaumhöhle, Kleiderschrank), habe ich eine Chance, die Katze schnell zu finden und zu retten.
− Katzen haben ihre „Lieblingsecken“, in die sie sich auch bei Stress verkriechen. Kennt man diese, weiß man auch, wo man im Brandfall nach ihr suchen muss. Meine zum Beispiel schlüpft bei Stress gerne in den Kleiderschrank.

− Rauchmelder mindestens in den Schlafzimmern und im Flur (Fluchtweg!) sollten eine Selbstverständlichkeit sein.
Genauso wie Wohnungsschlüssel sollte auch eine Hundeleine oder ein Katzenkorb immer an der gleichen Stelle zu finden sein: Wo ich etwas bereits tausendmal vorgefunden habe, werde ich es auch im Notfall automatisch finden. Zudem sollte alles für die Flucht benötigte in der Nähe des Ausganges liegen, damit ich nicht erst tiefer in eine vielleicht schon brennende Wohnung eindringen muss, um es zu erreichen.

− Für Entstehungsbrände habe ich in meinem Wohnungsflur ein geprüftes Feuerlösch- Spray parat stehen. Diese Spraydosen enthalten kein Pulver, welches im Einsatzfall eine große Verschmutzung verursachen würde, und sind intuitiv zu bedienen, da sie wie eine Haarspray- Dose funktionieren. Geprüfte Sprays gibt es zum Beispiel von der Firma Prymos.

− Bei Feuerlöschern sollte man sich grundsätzlich bereits vor einem Notfall die Gebrauchshinweise in aller Ruhe ansehen. Wenn es brennt, hat man diese Ruhe nicht mehr.
− Eigene Löschversuche sollte man nur dann unternehmen, wenn alle Personen und Tiere bereits in Sicherheit sind, der Notruf abgesetzt oder veranlasst wurde und man sich nicht selbst in Gefahr begibt (Rauchvergiftung!)
− schmorende elektrische Geräte sofort vom Stromnetz trennen. Kommt man an die Stecker nicht heran, weil sie z.B. hinter einem Schrank angeschlossen sind, am Sicherungskasten sofort die Sicherungsautomaten abschalten. Kleingeräte wie Toaster, DVD- Recorder oder ähnliches kann man unter Umständen schnell wegtragen, in der Wanne ablöschen oder (wenn gefahrlos möglich) aus dem Fenster werfen. Große Geräte wie Fernseher oder Mikrowellenherd kann man – wenn sie stromlos sind! – mit einem nassen Handtuch oder Saunatuch abdecken.
− Brennende Kochtöpfe und Pfannen vorsichtig vom Herd ziehen (Gefahr des Überschwappens beachten) und mit einem passenden Deckel abdecken. Ein Handtuch, welches zum Ersticken der Flammen über eine Pfanne oder Fritteuse geworfen wird, kann übrigens einsinken und sich mit brennendem Fett vollsaugen. Das Feuer wird dann über dem Handtuch weiterbrennen!
− Rauch unterkriechen, um ihn nicht einatmen zu müssen.
− Bei der Flucht alle Türen schließen, damit der Rauch sich nicht weiter ausbreitet und das Feuer weniger Luft bekommt. Insbesondere die Wohnungstür heranziehen, um den Bewohnern der oberen Stockwerke die Flucht durchs Treppenhaus zu ermöglichen. Türen aber nicht abschließen! Den Wohnungsschlüssel für die Feuerwehr bereithalten.
− Die Nachbarn warnen.
− Vor dem Haus auf die Feuerwehr warten und sich sofort bei ihr melden. Bewohner, die sich melden, müssen nicht gesucht werden. Zudem kann man den Einsatzkräften wertvolle Hinweise geben.

Haustiger: Ist die Feuerwehr angehalten, Haustiere im Brandfall zu retten (sofern dies ohne größere Gefahr für Leib und Leben möglich ist)?

Ingo: Der Grundsatz der Feuerwehr ist: Menschen – Tiere – Sachwerte retten, und zwar in dieser Reihenfolge. Natürlich werden wir bei allen Einsätzen (übrigens auch bei der Menschenrettung!) immer auf den Eigenschutz achten.
Wenn keine Menschen mehr gerettet werden müssen, achtet der vorgehende Trupp auch auf Hinweise wie Futternäpfe oder Katzenklos, falls ihnen noch nichts davon bekannt ist, ob sich überhaupt Haustiere in der Wohnung befinden oder nicht. Sieht ein Feuerwehrmann Hinweise auf ein Tier, wird er seine Augen offenhalten, um es zu finden, also auch z.B. unter Eckbänken oder dem Sofa kurz nachsehen.

Haustiger: Ist die Rettung von Haustieren, wie z. B. Katzen, bzw. der Umgang mit panischen Samtpfoten (theoretischer) Bestandteil der Ausbildung? Am lebenden Objekt lässt sich das ja eher schlecht üben.

Ingo: Die Tiere kennen uns nicht, wenn wir sie finden. Katzen können daher bei der Rettung auf zwei Arten reagieren: Sie versuchen zu flüchten oder krallen sich am Retter fest.
Hierbei machen sie aufgrund ihrer Größe keine Probleme, wenn man beherzt zupackt. Der Katze muss dabei vom ersten Griff an klar sein, dass sie keine Chance auf Gegenwehr hat: „Fluchtkandidaten“ würden sonst sofort alles daran geben, sich zu befreien. Dadurch steigt auf beiden Seiten das Verletzungsrisiko.
Eine spezielle Schulung ist für die Katzenrettung nicht notwendig. Anders ist es z.B. bei Reptilien, wofür einige Feuerwehren für ihre Kräfte Sonderausbildungen anbieten. Eine Schlange ist zum Beispiel wesentlich schwieriger zu handlen als eine Katze.
Im Einsatz haben Feuerwehrleute dicke Schutzkleidung an, die sie vor Verletzungen schützen würde. Viele Katzen krallen sich in der Schutzjacke fest, wenn man sie erst einmal hat, und lassen sich dann ohne Schwierigkeiten wegtragen.
Wir wissen auch, dass Katzenbisse höchst infektiös sind, und achten darum auch außerhalb der Brandstelle auf unsere Hände.

Ich hoffe, mit diesen Antworten weitergeholfen zu haben. Wie im Vorfeld erwähnt ist es nicht so einfach, pauschal Ratschläge zu geben. Bei aller Tierliebe muss der Mensch im Vordergrund stehen, und die Situation bei einem Brand lässt sich vom Laien sehr schlecht beurteilen.

[green_box] Lieber Ingo, ich danke dir ganz, ganz herzlich für deine Mühe und deine ausführlichen und aufschlussreichen Antworten! Liebe Leser, „112 – der tägliche Wahnsinn“ ist toll, von meiner Seite eine absolute Leseempfehlung! [/green_box]

Erstveröffentlichung: Juni 2014